Mit dem Paradigmenwechsel zur Kompetenzorientierung vor etwa 15 Jahren ist ein Verständnis von Unterricht, das von einer frontalen Übertragung des Wissens von LehrerInnen auf SchülerInnen ausgeht, überholt. Beim Kompetenzerwerb, gepaart mit einem konstruktivistischen Lernverständnis, rücken so vielmehr Lernumgebungen in den Mittelpunkt, die SchülerInnen das eigenständige Erschließen von Sachverhalten unter Berücksichtigung ihres Vorwissens ermöglichen. In diesen Lernumgebungen steuern Aufgaben die Lernprozesse der SchülerInnen und unterstützen so den Kompetenzzuwachs.
LehrerInnen sind also weniger WissensvermittlerInnen ...
... als vielmehr AufgabenentwicklerInnen.
Unterricht kennzeichnet weniger ein angeleitetes Frage-Antwort-Spiel ...
... als vielmehr eine einzige kumulative Lernaufgabe.
SchülerInnen sind weniger Zielobjekte von Aufgaben ...
... als vielmehr sich mit der Welt, mit sich selbst und ihrem eigenen Lernen auseinandersetzende Subjekte in Aufgaben.
Dieser zentralen Bedeutung von Lernaufgaben für unterrichtlichen Erfolg (z.B. Kleinknecht, 2019; Fauth & Leuders, 2018; Hieber et al., 2011) stellt sich das folgende Modul. Ziel des Moduls ist es, dass die Studierenden in der Lage sind, Lernaufgaben in einer reflektierten Umsetzung von Qualitätsmerkmalen zu konzipieren sowie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Aufgaben(-kulturen) in den beteiligten (Schul-)fächern zu erläutern.
Hinweis: Für vertiefende Informationen zum Vorgehen in den einzelnen Clustern siehe die folgenden Erläuterungen.
Selbstreflexion
Die erste Phase des Lernmoduls bildet die „Selbstreflexion“. Die Studierenden bekommen die Aufgabe, ihre Kenntnisse, Einstellungen, Bewertungen, Gefühle sowie Praktiken beim Umgang mit Aufgaben im Unterricht zu notieren. Um die hervorgerufenen Erkenntnisse in Form eines Lernproduktes zu sichern, fertigen die Studierenden eine MindMap an, die im Verlauf des Lernmoduls stetig weiterentwickelt wird. Bei der Anfertigung der MindMap können die Studierenden frei wählen, ob sie diese händisch oder mit Hilfe von digitalen Tools erstellen. Sollten sich die Studierenden für die Anfertigung mithilfe von digitalen Tools entscheiden, stehen ihnen hierfür im Rahmen des Moduls Einführungen in die verschiedenen Tools zur Verfügung. Für die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten (und deren Visualisierung in der o.g. Mindmap) in den einzelnen Clustern sollen die Studierenden verschiedene Farben verwenden, um so den Erkenntnisgewinnungsprozess abzubilden. Für die beteiligten Fächer, die die Studierenden mitdenken, sollen sie ebenfalls andere Farben verwenden. Den Kern des Lernmoduls bildet die Diskussion der Aussage von Frau Prof. Dr. Eva Nöthen: „Jenseits der Inhaltlichkeit, die angesprochen wird in den Arbeitsaufträgen […], kann ich gar nicht sagen, ob eine Aufgabe oder ein Arbeitsauftrag an sich überhaupt geographie-spezifisch/fach-spezifisch sein kann.“ (Prof. Dr. Eva Nöthen, Didaktik der Geographie)
Theorie mit Blick in die Praxis Ⅰ
Die zweite Phase des Lernmoduls bildet die „Theorie mit Blick in die Praxis“, die sich in Teil Ⅰ und Teil Ⅱ untergliedert. In Teil Ⅰ beschäftigen sich die Studierenden in einem ersten Schritt mit einem Podcast, der eine allgemeine Einführung in das Thema Aufgaben(-kulturen) bereitstellt. Die Inhalte des Podcasts umfassen beispielsweise den Entstehungskontext einer „neuen“ Aufgabenkultur (PISA-Schock & TIMSS-Studie), die Relevanz von Aufgaben für den Lernprozess, Merkmale der „neuen“ Aufgabenkultur und unterschiedliche Aufgabentypen sowie Aufgabenformate, um nur einige zu nennen. Das Ziel des Podcasts ist es, den Studierenden die Relevanz von (Schul-)Aufgaben im Lernprozess aufzuzeigen sowie hilfreiche Definitionen an die Hand zu geben. Der Fokus des gesamten Lernmoduls soll dabei auf Lernaufgaben (Erarbeitung-, Übungs- und Transferaufgaben) – im Gegensatz zu Diagnose- und Leistungsaufgaben – liegen sowie auf deren Qualitätsmerkmalen.
In einem zweiten Schritt werden die zuvor erlernten theoretischen Inhalte durch praxisnahe Einblicke in den Lehrberuf veranschaulicht. Dazu wählen die Studierenden interessensgeleitet aus einem Pool von Interviews mit ExpertInnen wie etwa FachleiterInnen, FachdidaktikerInnen sowie LehrerInnen verschiedener Schultypen und -fächer eines aus und folgen den Ausführungen. Durch dieses Vorgehen wird ein wertvoller Einblick in die unterrichtliche Praxis der verschiedenen Fachdisziplinen ermöglicht und zugleich ein Verständnis für unterschiedliche Aufgabenkulturen hervorgerufen. Zudem wird im Hinblick auf die Interdisziplinarität deutlich, dass zwar unterschiedliche (alltagsweltliche) Verständnisse des Begriffs „Lernaufgabe“ existieren und die Unterrichtspraxis vielfältig ist, aber ein gewisser Konsens in bestimmten Bereichen (z.B. Qualitätsmerkmale) vorliegt. Neue Erkenntnisse sollen von den Studierenden im Verlauf des Lernprozesses in die MindMap eingepflegt werden.
Theorie mit Blick in die Praxis Ⅱ
In Teil Ⅱ erarbeiten sich die Studierenden mit einer interaktiven PowerPoint die Qualitätsmerkmale von Lernaufgaben. Die Qualitätsmerkmale wurden aus einer Vielzahl allgemeindidaktischer und fächerübergreifender Texte abgeleitet. In einem ersten Schritt können die Studierenden im Rahmen der interaktiven PowerPoint einzelne Fachtermini anklicken, sodass Definitionen samt Umsetzungsvorschlägen für die Unterrichtspraxis erscheinen. In einem zweiten Schritt können sich die Studierenden eine Schulbuchdoppelseite anzeigen lassen, wobei mithilfe einer Audiodatei die Umsetzung der Qualitätsmerkmale auf dieser Schulbuchdoppelseite erläutert wird. In diesem Prozess, der die Schulbuchseiten aus allen drei Fachrichtungen – Deutsch, Politik und Geographie – beleuchtet, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Aufgabenkulturen in den verschiedenen Fachdidaktiken deutlich. Auch nach dieser Phase sollen die Studierenden neu gewonnene Erkenntnisse in die MindMap aufnehmen.
Handeln
In dieser Phase sollen die Studierenden die theoretischen Kenntnisse in einem unterrichtsnahen Setting umsetzen. Idealerweise schließen sich Studierende aller drei Fächer zusammen, sodass sie ihre selbst konzipierten Aufgabenstellungen gegenseitig lösen. Dazu sollen die Studierenden ausgehend von einer Schulbuchdoppelseite ein Befähigungsziel operationalisieren und eine didaktische Schwerpunktsetzung ihrer Lernaufgabe vornehmen. Im weiteren Verlauf konzipieren sie eigenständig eine solche Lernaufgabe unter Berücksichtigung selbst gewählter und aus didaktischer Schwerpunktsetzung begründeter Qualitätsmerkmale. Den Abschluss dieser Phase bildet dann die Rückmeldung durch eine/n KommilitonIn, welche/r die Lernaufgabe löst und Feedback bereitstellt. Durch diese praxisnahe Herangehensweise können die Studierenden die Konzeption von Lernaufgaben eigenständig erproben. Auch nach dieser Phase sollen die Studierenden neu gewonnene Erkenntnisse in die MindMap einpflegen.
Abschlussreflexion
Den Abschluss des Lernmoduls bildet die „Abschlussreflexion“. In dieser Phase sollen die Studierenden die anfängliche Aussage von Frau Prof. Dr. Eva Nöthen diskutieren: „Jenseits der Inhaltlichkeit, die angesprochen wird in den Arbeitsaufträgen […], kann ich gar nicht sagen, ob eine Aufgabe oder ein Arbeitsauftrag an sich überhaupt geographie-spezifisch/fach-spezifisch sein kann.“ (Prof. Dr. Eva Nöthen, Didaktik der Geographie)
In dieser Phase überarbeiten die Studierenden die MindMap final und schließen das Lernmodul mit der Selbstreflexion ab.